Basis-Info
- Zuständiges Unternehmen: Kosei Kensetsu Co., Ltd. – Tochterfirma der West Japan Railway
- Gegründet im Jahr 1941
- Hauptstrecke: Osaka–Hakata
- Streckenlänge insgesamt: 5007,1 km
- Max. Geschwindigkeit: 300 km/h (N700 Serie)
- Gewechselte Schwelle pro Schicht: bis 198
- Maschine: SES 170 (2016)
- Letzter Zug in Shiniwakuni Bahnhof nach Osaka: 21:53
- Erster Zug in Shiniwakuni Bahnhof nach Hakata: 06:19
Im Kampf gegen die Beben – Sicherheit für Bahninfrastruktur und Reisende
Was bedeutet Sicherheit in Hinblick auf Erdbeben? Was man über die tektonischen Erschütterungen sicher sagen kann, ist, dass sie sich nicht verhindern lassen. So bebt die Erde alleine in Japan rund 5.000 Mal jährlich. Zwar sind die meisten Erschütterungen schwach, doch auch größere kommen häufig vor und verursachen immer wieder bauliche Schäden. Auch die Bahninfrastruktur bleibt nicht verschont. Der Inselstaat trifft deshalb vorbeugende Maßnahme um Erdbebenschäden zu verhindern – so auch auf der Strecke San’yō-Shinkansen im Westen des Landes.
Um das Reisen sicher zu machen und Schäden zu minimieren, trifft Kosei Kensetsu, Tochterunternehmen der West Japan Railway Company, unterschiedliche bautechnische Maßnahmen. Eine hiervon stellen spezielle Leitschienen dar. Für deren Installation findet ein neuer Schwellentyp Verwendung. Ein möglichst rascher Austausch auf der gesamten Strecke ist daher vorgesehen. Hier kommt der SES 170 von Plasser & Theurer zum Einsatz – und mit ihm einer der wohl wichtigsten Maschinisten West-Japans: Ryo Ishibashi, ein Mann, der trotz seiner verantwortungsvollen Aufgabe „Der Unruhestifter“ genannt wird.
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AnmeldenRyo und sein Kernteam, bestehend aus dem Vorarbeiter Herr Hashimoto und dem Projektmanager Herr Okudaira, checken ihre Maschine vor der Nachtschicht. Trotz ihrer regelmäßigen Arbeit spürt man, dass ihre Leidenschaft für ihre Tätigkeit und die Maschine groß sind. Ryo erklärt uns den Zweck und Aufbau der SES 170:
„Die Arbeit des SES 170 besteht im Kern aus dem Schwellenaustausch und der Wiederherstellung der Gleislage. Insgesamt besteht das 94 Meter lange Schwellenwechselsystem aus drei Hauptkomponenten: Im hinteren Bereich haben wir den Depotwagen mit Portalanlage und Kabine, die ich und meine Crew zum Aufenthalten nutzen können. Hier in der Mitte dann quasi das Herzstück der Maschine: meinen Arbeitsbereich mit Schwellenmanipulator, Saugeinheit mit Schotterwagen und Schottereinheit. Vorne befindet sich natürlich der Antriebswagen.“
Jeder Anfang ist schwer
Ryo erinnert sich noch genau an seinen ersten Einsatz. „Für mich war es wie eine Feuertaufe. Dieser erste nächtliche Einsatz hat maßgeblich dazu beigetragen, dass ich von meinen Kollegen meinen Spitznamen bekommen habe“, lacht der junge Maschinist.
„In dieser Nacht habe ich am Steuerplatz des Manipulators des SES 170 gesessen. Man muss sich das mal vorstellen. Diese gigantische Maschine. Auf einer Hauptschnellfahrtstrecke. Und das zum aller ersten Mal im richtigen Einsatz. Wer dort sitzt, übernimmt ohne Frage große Verantwortung. Ich musste mich deshalb schon vorab mental darauf vorbereiten.“
„In meinem Kopf bin ich also mehrmals den Prozess, den ich ja von den Schulungen und Übungen am Simulator her kannte, durchgegangen: Zuerst müssen die gelösten Schwellen sorgfältig unter den angehobenen Schienensträngen um 90 Grad gedreht werden. Die alten, nun parallel zu den Gleisen stehende Schwellen werden dann von mir vorsichtig eine nach der anderen herausgehoben. Der Portalanlage bringt sie anschließen ganz nach hinten, um sie zu lagern. Daraufhin kommt sie mit den neuen Schwellen zurück. Soweit so gut. Bis jetzt lief alles perfekt – genau wie ich es vom Simulator kannte …“
„Bisher entgleisten Bahnen auf den Shinkansen-Linien zweimal aufgrund starker Erdbeben. Mit meiner Arbeit im SES 170 trage ich dazu bei, die Strecke erdbebensicherer zu machen und Bahnen vom Havarieren zu schützen. Eine Aufgabe, die mich Stolz macht und zugleich aber immer auch mit Respekt erfüllt. Denn schlussendlich geht es nicht rein um die Vermeidung von Bahn- oder Streckenschäden, sondern um die Sicherheit der bahnfahrenden Bevölkerung.“ – Ryo Ishibashi
Ryo arbeitet konzentriert und professionell. Aber genau in dieser Situation kommt es bei seinem ersten Einsatz zu einem Ausnahmephänomen.
„Die Dinge laufen, wie sie laufen sollen. Nun bin ich dran und muss die neuen Schwellen herausheben und sie in Parallelstellung zum Gleis ablegen. Als ich die erste Schwelle mit dem Manipulator nach unten verfrachten wollte, gibt es plötzlich einen Höllenlärm: ein unbekanntes metallisches Geräusch. Ich hatte die schwache, hoffnungsvolle Erwartung, dass es schon in Ordnung war. Leider lag ich mit dieser Annahme daneben: Meine Steuerung blockierte.“
„Niemand wusste sofort, was passiert war. Wir hatten im Depot mit der Maschine schon oft geübt und alle möglichen kritischen Punkte beseitigt. Aber niemals war diese Situation aufgetaucht. Ich geriet fast in Panik. Um mich herum schien die Zeit stehen zu bleiben. Was hatte ich falsch gemacht? Es war unsere historische erste Schwelle. Und sie sollte in dieser Nacht nicht abgelegt werden. Schließlich mussten wir eine Entscheidung treffen und die Notschwelle auf dem Gleis manuell einstecken.“
Ryo war sehr deprimiert, weil er sich auf den ersten Arbeitseinsatz und dieses bedeutungsvolle Ereignis gefreut hatte. Die Maschine musste zum Depot gebracht werden – pünktlich vor dem ersten Schnellzug.
„Somit wurde das Schlimmste glücklicherweise vermieden. Die Maschine wurde genau kontrolliert und wir haben festgestellt, dass ein einzelner Sensor nicht ordnungsgemäß funktionierte – vermutlich durch eine falsch ausgeführte Bewegung. Der Fehler wurde zum Glück schnell beseitigt und in der nächsten Nacht konnten wir ohne Problem arbeiten. Alles lief rund. Doch auch später war ich während meiner Einsätze nicht immer vom Glück verfolgt. Ich kann schon verstehen, dass mich meine Kollegen deshalb im Auge behielten“, scherzt Ryo.
„Dummerweise traten später während meiner Einsätze bei exakt dem gleichen Teil aus anderen Gründen Probleme auf. Natürlich wissen alle, dass ich nicht komplett an den Fehlern schuld war, aber seitdem werde ich von meinen Kollegen nur „Der Unruhestifter“ genannt. Für mich hat es aber auch etwas Gutes, denn durch diese Ereignisse konnte ich viel lernen und gehöre mittlerweile trotz dieser Startschwierigkeiten zu den drei Personen, die für die hochmoderne Schwellenwechselmaschine verantwortlich sind – ohne Frage eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe! Bisher entgleisten Bahnen auf den Shinkansen-Linien zweimal aufgrund starker Erdbeben. Mit meiner Arbeit trage ich dazu bei, die Strecke schnell erdbebensicherer zu machen und Bahnen vom Havarieren zu schützen. Das erfüllt mich mit Stolz und zugleich auch mit Respekt. Denn schlussendlich geht es nicht rein um die Vermeidung an Schäden von Strecken und Bahnen, sondern um die Sicherheit der Menschen, die sie tagtäglich nutzen.“
Ein feinabgestimmter kontinuierlicher Schwellenwechselprozess
So funktioniert das Schwellenaustauschsystem: Nach den manuellen Vorbereitungsarbeiten entfernen die Saugaggregate des SES 170 den Schotter um die Schwellen herum, um diese beweglich zu machen. Der Schwellenmanipulator zieht zu Beginn des Einsatzes zwölf der alten Schwellen in Arbeitsrichtung nach vorne. Um einen Freiraum von insgesamt 2.400 mm zu schaffen, entfernt der Manipulator vier von ihnen. Die Schwellen werden hierbei um 90 Grad gedreht, woraufhin der Manipulator sie heraushebt und zum Schienenlift bringt, wo sie auf die erste Ebene der Maschine transportiert werden. Die ausgehobenen Schwellen werden zunächst zu einem Schwellenförderer transportiert und in Fünfergruppen gelagert.
Die Portalanlage auf der Maschine bringt bis zu fünf der alten Schwellen gleichzeitig vom Lagerplatz des Schwellenförderers zur Ladefläche auf dem Depotwagen. Mit der errichteten Freifläche arbeitet das System nun kontinuierlich. Während im vorderen Bereich der Fläche eine Schwelle entfernt wird, wird im hinteren eine neue eingefügt. Eine Befestigungseinheit bringt die bereits abgelegten neuen Schwellen in korrekt zentrierte Position und fixiert diese anschließend am angehobenen Gleis. Der Schottertrichter bringt nun exakt den Schotter ein, der daraufhin final stabilisiert wird. Um die Strecke tagsüber befahrbar zu machen, wird am Ende die Freifläche durch neue Schwellen aufgefüllt.